Jostbergruine

Der Kreuzweg der Heilig Geist-Gemeinde führt jedes Jahr zu den Fundamentresten des Jostbergklosters, eine Niederlassung der Franziskanerobservanten auf einem Höhenzug des Teutoburger Waldes südwestlich von Bielefeld. Erhalten haben sich die Grundmauern der spätgotischen Klosterkirche.

Die Ruine der Klosterkirche wurde 1912 auf Veranlassung der Stadt Bielefeld und 1966 durch die römisch-katholische Kirchengemeinde St. Jodokus freigelegt. Seitdem zerfiel das Bauwerk; Souvenirjäger hatten wiederholt Stücke herausgebrochen. Erst 1993/94 erfolgte eine archäologische Grabung und Dokumentation. Die Instandsetzung und teilweise Restaurierung der Kirchenruine wurde 2009 beendet.

Im Laufe des 15. Jahrhunderts entstand auf dem Jostberg eine kleine Wallfahrtsstätte mit Pilgerhäuschen. Sie wird erstmals 1480 urkundlich erwähnt als Verehrungsstätte für den Hl. Jodokus (‚Jost‘ ist im Volksmund die Kurzform für „Jodokus“). Von 1483 – 1490 wurde an gleicher Stelle eine Kapelle erbaut, bei der sich 1498 Franziskaner niederließen. 1502 wurde diese Kapelle aufgegeben und mit dem Bau einer Kirche und eines Klosters am tiefer gele- genen Wegekreuz begonnen; dies ist die heutige Grabungsstelle Jostberg-Kapelle.

1507 gestattete Papst Julius II. die Verlegung des Klosters in die Bielefelder Altstadt. Dort wurde 1511 mit dem Bau der St. Jodokus Kirche, der katholischen Hauptkirche in Bielefeld, begonnen. In einem Vertrag zwischen dem Stifter des Klosters am Jostberg und dem Franziskanerorden war festgelegt worden, daß die Jostberg- kirche bestehen bleiben sollte. Aus Gerichtsakten ergibt sich aber, daß bereits 1567 mancher Stein abgetragen war. Die Grundmauern der Kirche wurden vor einigen Jahren freigelegt und provisorisch gesichert. Inzwischen steht fest, dass die Ruinen als Baudenkmal erhalten bleiben: nach Ankauf des etwa 1.000 qm großen Geländes durch die Stadt hat es der „Historische Verein“ übernommen, die Ruinenanlage weiter freizulegen und zu sanieren. Diese Arbeiten wurden mit einem Festakt am 13. Dezember 2009 abgeschlossen und gewürdigt.

Die spätgotische Klosterkirche ist in Grundmauern in einer Höhe bis zu einem Meter erhalten. Der Chor ist 9,1 Meter breit und 14 Meter lang. Die Kirche war einschiffig mit drei Jochen und hatte einen 5/8-Chorschluss und eine Gesamtlänge von 24,4 Metern Innenmaß.

Sicherung der Klosterruine am Jostberg (Werde 3 | 2009)

Sehr viele Jahre war es Christen in Bielefeld und vielen anderen geschichtsbewussten Bürgern unserer Stadt eine große Sorge gewesen, dass die Grundmauern des ehemaligen Franziskanerklosters am Jostberg so völlig schutzlos dem Verfall und der Zerstörung ausgeliefert waren. Jahrzehnte vorher waren schon durch den Historischen Verein versuchsweise Freilegungen, Vermessungen und ähnliche Maßnahmen vorgenommen worden, die Ruine selbst konnte jedoch nicht restauratorisch gesichert werden. Nun ist diese unhaltbare Situation endlich beendet.

Eine gemeinsame Initiative
Mit vereinten Kräften konnte Erstaunliches bewirkt werden: Es arbeiteten hervorragend zusammen kath. und ev. Christen verschiedener Gemeinden, darin besonders viele aus unserem Pastoralverbund, der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg und andere interessierte Bürger. Einen entscheidenden Durchbruch bewirkte die Stadt Bielefeld selbst, der es gelang, das Gelände mit den verbliebenen Grundmauern der damaligen Kirche zu kaufen. Alle Arbeiten an der Ruine mussten durch Spenden finanziert werden. Großer Dank gilt den Spendern: Wir sind persönlich auf Einzelpersonen und Einrichtungen zugegangen und konnten so bislang fast alle Kosten decken. Vielen Spendern war es ein Herzensanliegen, dieses herausragende Denkmal gemeinsamer christlicher Geschichte vor der Reformation zu fördern. Wegen der Verteuerung einiger Maßnahmen und für die ausstehende Dokumentation in Schautafeln fehlen uns jedoch noch die Mittel, deshalb bitten wir gleichzeitig sehr herzlich um Ihre finanzielle Unterstützung.

Was konnte getan werden?
Die Verantwortung übernahm der Histo­rische Verein, vertreten insbesondere durch dessen Vorsitzenden Herrn Dr. Johannes Altenberend. Beteiligt waren sodann Herr Dr. Daniel Bérenger vom Bereich Archäologie des Landschaftsver­bandes Westfalen Lippe, die Mitarbeiter des ISB in Bielefeld und viele andere Unterstützende. Zunächst wurden große Mengen Erde und in den Innenraum gestürzte Mauerreste sorgsam entfernt und überprüft. Mit großer Spannung hielten wir dabei natürlich nach weiteren Spuren Ausschau, die mehr von dem damaligen Kirchenbau, seiner Ausgestaltung und Entwicklung preisgeben würden.

Das Kloster
Recht sparsam sind die schriftlichen Quellen über dieses Franziskanerkloster, das 1498/1502 auf Bitten der Bielefelder Bürgerschaft gegründet wurde. Die Patres und Brüder sollten, neben allgemeiner Seelsorge, vor allem eine an diesem Berg schon bestehende Wallfahrtsstätte zum Heiligen Jodokus betreuen. Wenige Jahre später zog dann zumindest das Kloster in die Innenstadt um, heute als St. Jodokus am Klosterplatz bestens bekannt.

Ergebnisse
Die Grabungen lassen vermuten, dass der Boden früher mit gebrannten Fliesen bedeckt war. Ein schönes Exemplar davon wurde im Schutt gefunden. Hervorragend sind wieder die Säulen zu sehen – einige allerdings wurden im Laufe der Jahrhunderte und auch noch in den letzten Jahrzehnten gestohlen. Überall an den Wänden sind wieder Spuren des ehemaligen Verputzes erkennbar. Heutige Menschen vermuten zwar oft schöne Natursteine als ehemals „ursprüngliche“ Wandgestaltung – damals war auch diese Kirche sicher verputzt. Durch die Freilegungen zeigen sich hervorragende Steinmetzarbeiten – so der Anfang einer Wendeltreppe neben dem Haupteingang.

Fragen
Viele Fragen wirft auch der Anbau auf, der sich an der Südwand befindet. Entfernt wurde eine Wand, die sich eindeutig als später an dieser Stelle eingebaut erwies. Wozu diente dieser Anbau, und gibt dieser später abgetrennte Raum vielleicht einen Hinweis auf die Nutzung der Kirche nach dem Umzug der Franziskaner in die Bielefelder Innenstadt?
Ein anderes interessantes Detail: es war vielen schon vor der Sicherung aufgefallen, dass die Grundmauern des Altars nicht nur einen, sondern einen doppelten Grundriss aufweisen. Dies hat sich nun auch bei den Arbeiten deutlich bestätigt. Hinter dem vorderen größeren Fundament liegt noch ein schmaleres und auf der nördlichen Seite deutlich überstehendes Altarfundament. Auffallend ist zudem, dass diese Altarfundamente gar nicht in graden Winkeln zu den Kirchenmauern stehen. Was können Archäologen aus diesem Befund schließen?

Ort der Geschichte und des Gebetes
Insgesamt liegen nach den nun vollendeten Sicherungsmaßnahmen die Ausmaße einer beeindruckenden Kirchenanlage von rund 9×26 Metern vor den Augen der Besucher. Den Bürgern Bielefelds wurde damit ein herausragendes Zeugnis ihrer eigenen geistlichen und kulturellen Geschichte zurück geschenkt. Für die Christen ist dieser Ort noch mehr: Schon in den letzten Jahrzehnten führten jährlich mehrfach kleine Pilgerzüge, große Kreuzwege und andere Besuche und Gottesdienste zu diesem Ort. Dies wird in Zukunft noch leichter möglich sein. Damit sind wir wieder sehr nah an den Ursprüngen, die zur gemeinsamen Geschichte der ev. und kath. Kirche vor der Reformation gehören. Denn der Hl. Jodokus, dieser Einsiedler und Pilgerpatron aus Frankreich, dessen Verehrung sich seit dem 7. Jh. zu einer großen mittelalterlichen Wallfahrt entwickelt hatte, setzte viele Menschen in Bewegung, die sich entlang verschiedener Stationen als Wanderer auf den Wegen Gottes in Europa bewegten. Später verband sich seine Wallfahrt oft mit der großen Wallfahrt des Jakobus nach Santiago de Compostella – der Apostel Jakobus und Jodokus werden an mehreren Orten sogar gemeinsam verehrt – und trat dann in den Hintergrund.

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