Offener Brief zu St. Liborius

Offener Brief zu St. Liborius

In einem offenen Brief hat der Kirchenvorstand St. Jodokus sich zu den vielfältigen Veröffentlichungen über die zukünftige Nutzung der St. Liboriuskirche durch die Polnische Mission Bielefeld und zu den daraus entstandenen Aktionen Stellung genommen. Im Folgenden drucken wir diesen Brief hier ab:

„In der Liborius Kirche im Bielefelder Westen feiern katholische Christen seit mehr als 60 Jahren Gottesdienst. Zu den Gemeindefesten waren in der Vergangenheit stets alle Bewohner des Viertels eingeladen und viele Menschen aller Konfessionen und Religionen haben die Einladung gerne angenommen. Das Verhältnis zwischen Gemeinde und Anwohnern war immer gut. Die Zahl der Kirchenbesucher in Liborius ist allerdings wie auch anderorts seit Jahrzehnten stark rückläufig. In der 400 Plätze umfassenden Kirche gibt es pro Woche nur noch eine einzige Messfeier, zu der sonntäglich noch rund 50 bis 60 Besucher kommen. Selbst in der Corona Zeit gibt es zwar noch ein Gemeindeleben, das von den Pfarrern der Jodokus Kirche und ganz besonders von den engagierten Frauen der Gemeinde getragen wird. Den Kirchenmitgliedern ist aber schon seit Jahren bewusst, dass es so nicht weitergehen kann und die Tage der Liborius Kirche gezählt sind.

Der größte Wunsch der Gemeinde war es zuletzt, die Liborius Kirche und damit christliches Leben im Bielefelder Westen zu erhalten. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen der Kirchen eine kaum lösbare Aufgabe. Eine Lösung zeichnete sich erst ab, als die polnische Mission auf die Gemeinde zukam und darum bat, die Kirche künftig für deren Gottesdienste nutzen zu dürfen. Die Sonntagsmessen der polnischen Christen sind traditionell sehr gut besucht und die seit jeher geräumige Liboriuskirche bietet den notwenigen Platz.

Und genau hier beginnt eine Entwicklung, die die Mitglieder des Kirchenvorstands, die zum Teil selbst Anwohner der Kirche sind, sowie viele andere Bewohner des Viertels fassungslos macht. Als nämlich der Plan bekannt wird, dass künftig polnische Christen die Kirche nutzen werden und damit zu rechnen ist, dass insbesondere die Sonntagsmessen wieder sehr gut besucht sein werden, regt sich der Widerstand einiger Anwohner, die für sich selbst den Anspruch erheben, für alle Bewohner des Viertels zu sprechen. Die Wortführer schüren seit Monaten auch in der Presse Ängste bei den Anwohnern und sprechen von einer ganz neuen Nutzung der Kirche. Tatsächlich wollen die polnischen Christen die Kirche für die Zwecke nutzen, für die jede Kirche errichtet wird, nämlich Gottesdienste zu feiern.

Die Meinungsmache führt mittlerweile dazu, dass am Zaun der Kirche Plakate mit der Aufschrift aufgehängt werden: „Die Wiese muss bleiben und die Gemeinde nicht!“ Ein erschreckendes Zeugnis dafür, wie unerwünscht christliches Leben offensichtlich mittlerweile bei einigen, hoffentlich wenigen, ist. Man stelle sich vor, welchen Aufschrei es zu Recht gäbe, wenn solche Plakate an Synagogen oder Moscheen aufgehängt würden. Wie irreführend die Argumentation ist, wird auch daran deutlich, dass die Gottesdienste als sog. Großveranstaltungen bezeichnet werden und damit Ängste vor gewaltigen Menschenansammlungen und enormen Autoverkehr geschürt werden. Die Bewohner im Bielefelder Westen leben seit Jahrzehnten mit einem Fußballstadion, in dem 14täglich eine Großveranstaltung stattfindet. Dass jetzt mit dem Gottesdienst polnischer Christen die nächste Großveranstaltung im Westen droht, ist absurd.

Führt man sich dann einmal vor Augen, was alternative Nutzungen des Kirchengeländes, beispielsweise als Altenheim oder gar Wohnbebauung mit sich brächten, wird deutlich, dass dies für alle Anwohner im Westen ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen und zwar sieben Tage in der Woche bedeuten würde.

Die Forderung derjenigen, die sich gegen eine Nutzung der Kirche durch die polnische Gemeinde aussprechen, läuft auf eine einfache Formel hinaus: „Alles soll so bleiben, wie es ist“. Nämlich ein Kirchengelände, das angesichts der immer weniger werdenden Gottesdienstbesucher kaum noch angemessen genutzt werden kann und zunehmend im Dornröschenschlaf liegt. Wer allerdings in diesen Zeiten immer noch nicht gelernt hat, dass sich Dinge im Wandel befinden und wir darauf Antworten finden müssen, dem ist wahrscheinlich nicht zu helfen. Was allerdings nicht unwidersprochen bleiben darf, ist, dass die freie Religionsausübung im Bielefelder Westen in Frage gestellt wird.“


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