Kirche St. Jodokus

Das Kirchengebäude ist ein einschiffiger Bau der Spätgotik mit fünf Jochen und Seitennischen sowie einem einjochigen Chor. Im Westen entstand im Jahr 1713 der „von Consbruchsche Anbau“ mit barockem Portal zur Obernstraße hin. Dem Armutsideal der Franziskaner entsprechend besitzt die Pfarrkirche keinen Turm, sondern nur einen Dachreiter mit vier Glocken. Eindrucksvoll sind die Gewölbeornamente aus den Jahren 1515 und 1878 im Mittelschiff. Eine besondere Wirkung auf den hellen Kirchenraum hat die Farbigkeit der in den 1950er und 1960er Jahren von Wilhelm Heiner, Bielefeld, neu gestalteten Fenster. In dieser Zeit (1954/55) erfolgte eine umfassende Restaurierung der Kirche. Zehn Jahre später wurde ein Teil des ehemaligen Jodokus-Klosters hinzugenommen und als Sakramentskapelle (heute Franziskuskapelle) ausgestaltet. Weitere Renovierungen des Kirchenraumes wurden in den Jahren 1973 und 2010/11 durchgeführt.

Das Ziel der letztgenannten Renovierung (nach Entwürfen von Prof. Norbert Radermacher, Frau Wencke Katharina Schoger und Johannes Reuter, Berlin), die den gesamten Kirchenraum umfasste, war: Die einzelnen Räume und Orte in ihrer Schönheit zu zeigen, in ihrer Unterschiedlichkeit deutlicher hervorzuheben und inhaltlich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Auf dem Weg durch den Mittelgang zum Chorraum steht an der Südwand eine spätgotische Statue des Namenspatrons St. Jodokus (5) (um 1480, aus dem Aachener Dom) mit Pilgermantel und -hut, Muschel und Stab, den Fuß auf der abgelehnten Krone. Unterhalb der Figur, in einer Nische, befinden sich Reliquien des Heiligen in einer Eichenkassette. Eine Besonderheit sind die Apostelleuchter (6), die von Prof. N. Radermacher gestaltet wurden. Sie stammen aus Steinen des Vorgängerbaus von St. Jodokus auf dem Jostberg. Die aus einem Torbogen oder einer Säule gewonnenen Architekturfragmente konnten so bearbeitet werden, dass sie sich als Apostelleuchter harmonisch in den Kirchenraum einfügen. Zugleich verweisen sie auf die Anfänge der Kirche und ihre 500jährige Geschichte.

In der folgenden Seitennische befindet sich ein aus Weichholz geschnitztes Marienretabel (7), das aus der Frührenaissance (um 1515) stammt. In der Mitte steht die in königlichem Gold-Blau gekleidete und gekrönte Maria mit dem Kind, dem sie eine Traube reicht. Links hält ein heiliger Bischof (Theodul) Hirtenstab und Schwert in den Händen. Rechts erkennt man St. Michael mit Schwert und Waage, den Fuß auf den Drachen gestellt. In der nächsten Seitennische steht ein Reliquienschrein (8). Er wurde 1958 von W. Heiner entworfen und von Bernhard Nagel ausgeführt. Reliquien, die zum größten Teil aus franziskanischer Zeit stammen, werden hier aufbewahrt. Darüber sehen Sie ein Weihekreuz aus dem 19. Jahrhundert.

Auf der gegenüberliegenden Nordwand ist eine Figur (17. Jh.) des Hl. Franziskus (9) angebracht. Sein Fuß auf einer goldenen Kugel deutet seine Überwindung der Welt an. Das ampelartige, barocke Ewige Licht (10) (um 1720) hängt über der Türöffnung, die Sie in den Raum der neu geschaffenen Tabernakelkapelle (11) führt. Der Anbau, nach einem Entwurf von N. Radermacher, W. K. Schoger und J. Reuter, folgt dem Grundgedanken einer bewussten Öffnung und Einladung hin zur Stadt.

„Außenstehende“ sollen aufmerksam werden, Christus mitten in der Stadt begegnen zu können. Die den Raum nach außen und innen öffnenden Fenster verdeutlichen diesen Gedanken und lassen den Tabernakel – gestaltet als 2 Meter hohe Marmorsäule – durch das Tageslicht erhaben strahlen. Die Grundform eines 12-zackigen Sterns bezieht sich auf die jüdischen und alttestamentarischen Wurzeln des Christentums.

Wenn Sie die Tabernakelkapelle durch den zweiten Türbogen verlassen, gelangen Sie zum Chorraum. Dieser erinnert in seiner Klarheit an das franziskanische Armutsideal der Ursprungszeit. Altar (12) (unter dem sich das Reliquiengrab der Hl. Anastasia und des Hl. Apostels Philippus befindet) und Ambo (13) treten als Hauptorte für die Feier der Liturgie hervor. Die Klarheit der Form wird gewonnen aus weißem, geschliffenem Marmor und schwarzem Schiefer, der die Konstruktion trägt. Der weiße Marmor formt – wie ein Tischtuch – die beiden Orte der Liturgie: den „Tisch des Brotes“ und den „Tisch des Wortes“. Tabernakel, Altar und Ambo wurden von Prof. N. Radermacher entworfen und durch Gianni Iannuzzi, Aitrach, ausgeführt. An der Apsiswand schließt das aus franziskanischer Zeit stammende restaurierte Chorgestühl (14) den Chorraum ab. Über der Mitte des Chorraumes hängt ein Ikonenkreuz (15). Es stammt wahrscheinlich aus Zypern (18. Jh.). In der Mitte der Tafel befindet sich eine Darstellung des gekreuzigten Christus, an den Enden vier Symbole (Mensch, Löwe, Stier, Adler), die seit dem späten 2. Jahrhundert den vier Evangelisten (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes) zugeordnet werden.

Aus kunstgeschichtlicher Sicht selten ist der aus Eichenholz gestaltete Levitenstuhl (16) (1510/1511) an der Südwand des Chorraumes. Seinen Namen erhielt dieser „Dreisitz“ durch die Feier der festlichen Liturgie, bei der dem Priester ein Diakon und ein Subdiakon assistierten. Die Darstellungen auf der Rückwand stellen Szenen aus dem Leben Jesu Ereignissen aus dem Leben des heiligen Franziskus gegenüber, der dem Gottessohn durch seine Lebenshingabe immer ähnlicher wurde. Eingerahmt werden die Bilder von einer Darstellung der Gottesmutter Maria und der Heiligen Klara von Assisi.

Vom Chorraum öffnet sich der Blick noch einmal in den gesamten Kirchenraum. Die Orgelempore trägt den mit einem reichhaltigen Schnitzwerk versehenen großen Orgelprospekt. Erste Erwähnung fand ein Orgelwerk im Jahr 1563. Die 1652 vom Bielefelder Hans Heinrich Reinking erbaute Orgel wurde im Laufe der Jahrhunderte erweitert. Das heutige Orgelwerk mit 40 Registern stammt aus den Werkstätten der Firma Kreienbrink in Osnabrück und wurde im Jahr 1974 erbaut. Vermutlich von einer nicht mehr erhaltenen barocken Kanzel stammen die vier an der Orgelbrüstung angebrachten lateinischen Kirchenlehrer: Ambrosius († 397), Hieronymus († 419/20), Augustinus († 430) und Papst Gregor d. Große († 604).

Als Nächstes begegnen Sie einem der bedeutendsten kunsthistorischen Schätze Bielefelds aus dem Hochmittelalter: dem Gnadenbild der Schwarzen Madonna (17) (um 1240), wie sie im hiesigen Sprachgebrauch genannt wird. Es ist nicht auszuschließen, dass dieses Bildnis der Gottesmutter schon zur Grundausstattung der Neustädter Kirche in Bielefeld gehörte. Die Holzfigur zeigt eine thronende Madonna, die Ihnen – direkt zugewandt – das Jesuskind entgegenhält. Auf ihrem Knie sitzt es segnend und wird in seiner Haltung als Lehrer, Richter und Weltenherrscher präsentiert. Beide Gesichter sind mit Silbermasken überzogen. Im hier beginnenden Kreuzgang hat der neue Kreuzweg (18) von Prof. N. Radermacher seinen Platz gefunden. Rund um den frei zugänglichen Innenhof (mit Bildstock von Hubertus Hartmann, Wiedenbrück und Grablege von Domkapitular Heinrich Sunder) sehen Sie die 14 Stationen in Gestalt von bildlosen Schiefertafeln. Der überraschenden Bilderlosigkeit und dem Verzicht auf die Nennung von Namen können Sie nur mit Zeit und eigenen inneren Bildern begegnen, die Sie mit Ihrer ganzen Person heranführen an den Skandal des Kreuzestodes Jesu.

Die Franziskuskapelle (19), neugestaltet nach Entwürfen von Prof. N. Radermacher, J. Reuter und W. K. Schoger, wird als Anbetungs- und Werktagskapelle genutzt. Diesem Charakter entsprechend sollen die in konzentrischen Halbkreisen um den Altar aufgestellten Bankreihen eine größere Nähe zum Altar und eine engere Gemeinschaft untereinander spürbar werden lassen. An der Nordwand des Kapellenraumes hat eine sogenannte Anna Selbdritt (20) (Hl. Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind) aus der Zeit um 1580/90 ihren Standort gefunden.

Die Ikonenwand (21) (1962, Alexey Saweljew) mit 17 farbenprächtigen Ikonen, die nach Art eines gotischen Flügelaltars um den Tabernakel gestaltet sind, zeigen Szenen aus dem Leben Jesu. Während der Anbetungszeit kann die Ikonenwand geschlossen werden, so dass die Ikonenbilder verdeckt sind und die Aufmerksamkeit sich ganz auf die über dem Tabernakel stehende Monstranz mit dem Allerheiligsten richten kann. Der Tabernakel, mit einer Tür aus Mooreiche, unterteilt von Elfenbeinstreifen, wurde von Helmut Jäger, Brombachtal, ausgeführt. Der Altar aus Sandstein wurde von Uwe Jauer, Bielefeld, gefertigt. Unter dem Altar befindet sich das Reliquiengrab des Hl. Romulus. Der Ambo, dessen Fuß aus einem Stück Messing geschnitten ist, greift in seinen Schnittkurven den Umriss des Altars auf. An der Westwand sehen Sie ein emailliertes Wandkreuz (22) von Egino Weinert, Köln, aus dem Jahr 1964.

Im Kreuzgang, zwischen den beiden Zugängen zur Franziskuskapelle, ist die Christus-Thomas-Skulptur (23) von Berthold Müller-Oerlinghausen, Bielefeld, aus dem Jahre 1926 aufgestellt. Der Weg in Richtung Hauptportal führt an Opferlichtnischen (24) vorbei, die an verschiedenen Orten in der Kirche zu finden sind. Für jede Kerze gibt es einen eigenen Raum, der vom Licht der Flamme erhellt wird, als sichtbarer Ausdruck des persönlichen Gebetes. An der Wand des nördlichen Seitenschiffs steht der sogenannte Schmerzensmann (25). Christus an der Geißelsäule tritt Ihnen mit vor Schmerz gekrümmtem Oberkörper in Lebensgröße gegenüber. Von Franz Guntermann, Bielefeld, wurde die Skulptur 1912 geschaffen und fand wohl im Jahr 1922 ihre Aufstellung in der Jodokus-Kirche. Nur einige Meter weiter hat das Bildnis der barocken Pietà (26) seinen Ort. Die Darstellung der Gottesmutter, die ihren toten Sohn auf dem Schoß trägt, befindet sich im „von Consbruchschen Anbau“ des Kirchenraumes. Ihre Herkunft ist sehr wahrscheinlich einer westfälischen Werkstatt zuzuordnen und ihre Entstehungszeit um 1700 anzusetzen. Hinter der Pietà lädt der geöffnete Beichtraum (27) zur Einkehr und zum Verweilen ein. Zu den Beichtzeiten bietet er durch das Schließen der Türen die Gelegenheit zum Empfang des Bußsakramentes oder zum persönlichen Seelsorgegespräch.

Vielleicht haben Sie einen Ort im Kirchenraum entdeckt, der Sie angesprochen hat. Nehmen Sie in Ihren Alltag die Gewissheit mit: Unsere Kirche ist täglich geöffnet und die Einladung Gottes an Sie bleibt bestehen.

Durch einen ersten, weit vorgezogenen Torbogen (0) auf der Nordseite der Kirche erreichen Sie vom Klosterplatz den Vorplatz (eingefasst von Pfarrhaus und Klostergebäude). Durch den zweiten Torbogen betreten Sie den „überdachten Teil“ des Vorplatzes, das Foyer (1). Torbögen und Foyer (nach Entwürfen von Dirk Boländer, Warburg) laden zum Eintreten und Verweilen ein und verdeutlichen den Charakter einer täglich geöffneten Kirche. Vom Foyer aus können Sie nicht nur die Kirche (2), sondern auch die Franziskuskapelle und das CityKloster (*) betreten. Darüber hinaus ist hier auch der frei zugängliche Weihwasserbehälter (3) zu finden, der von vier Tafeln eines Evangelistenzyklus eingerahmt wird.

Aus den mit patiniertem Messing verkleideten Eingangstüren wurden mit einem Laser biblische Textstellen (in hebräischer, griechischer und deutscher Sprache) ausgeschnitten. Der Lichteinfall auf das dahinter liegende Blattgold lässt die Schrift sichtbar werden (Weihwasserbehälter und Eingangstüren nach Entwürfen von D. Boländer und Ausführung von Pater Abraham Fischer OSB, Meschede).

Einen ersten Gesamteindruck des Innenraumes erhalten Sie, wenn Sie der auf dem Klosterplatz beginnenden Achse – sichtbar gemacht durch die Bodenplatten aus Basaltlava – bis zum Taufstein (4) folgen. Um seine Bedeutung als „Grundstein“ zu betonen, wurde der Taufstein in den Kirchenboden eingelassen. Mit der Taufe wird der Mensch in die Gemeinschaft der Kirche und zugleich in die Gemeinschaft der feiernden Gemeinde aufgenommen.

Der Rundgang durch die Pfarrkirche

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Neue Westfälische |  25.3.2011

St. Jodokus vor feierlicher Wiedereröffnung

Eine der ältesten Kirchen Bielefelds

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